
“Three Winds and More“ – Unter diesem Titel habe ich eine Reihe von Kompositionen für kleine Bläser-Kammermusik Besetzungen vom Duo bis zum Quintett aus den Jahren 2018 bis 2023 zusammengefasst.
Das Trio “Three Winds“ für Oboe, Klarinette und Fagott aus dem Jahr 2018 ist das erste Werk dieser Reihe. Der Titel “Three Winds“ bezieht sich auf die Doppeldeutigkeit dieses Begriffs: Einerseits ist es die englische Kurzform für “drei Bläser“ (im englischen three wind- bzw. woodwind players). Andererseits sind damit drei verschiedene Winde gemeint. Der erste Satz trägt den Titel “Bayamo“: Bayamo ist der Name eines starken böigen Landwindes, der in den Tropen auftritt und oft Gewitter mitbringt, insbesondere an der Südküste Kubas. Nach der dort liegenden Stadt Bayamo ist dieser Wind benannt. Titelgebend für den zweiten Satz Ist der Wind Coromell, ein warmer, schwacher Landwind, der im Golf von Kalifornien auftritt. Meistens weht er während der Nacht und kommt aus südlichen Richtungen. Er entwickelt sich als Zirkulation nur bei einer ungestörten Hochdrucklage. In meiner Version ist es allerdings zwischenzeitlich etwas stürmischer. Der dritte Satz ist dem Wind “Tramontana“ gewidmet. Als Tramontana bezeichnet man in Italien die nördliche bis nordwestliche, kalte, oft böige Windströmung. Dieser Wind frischt besonders häufig in der Region Ligurien auf und bewirkt, vor allem im Winter, schnelle und heftige Temperaturstürze. Im April 2019 wurde “Three Winds“ in der Kammermusikreihe des NDR im kleinen Sendesaal in Hannover vom Trio Roseau uraufgeführt.
Die “Fünf Bagatellen“, ebenfalls für Trio d’anches (also Oboe, Klarinette und Fagott), entstanden im Frühjahr 2020. Im ersten Lockdown der Corona Pandemie war es nicht möglich öffentliche Konzerte zu spielen und auch die Kammermusik im privaten Rahmen war eingeschränkt. Ein Werk in dieser sehr kleinen Besetzung gab uns im Trio Roseau die Möglichkeit im erlaubten Rahmen gemeinsam zu musizieren und ich konnte meine Gefühle und Gedanken in dieser Zeit in meiner Komposition ausdrücken. Die “Fünf Bagatellen“ habe ich für meine liebe Frau Rachel, die Oboisten im Trio Roseau geschrieben. Zentraler musikalischer Baustein ist ihr Name, also die Tonfolge (r) A-C-H-E (l). Dieses Trio ist eine kleine Hommage an György Ligeti in Erinnerung an seine “Sechs Bagatellen“ für Bläserquintett, die mich als Klarinettist des Ma’alot Quintetts von Beginn an begleitet haben. Die Uraufführung der “Fünf Bagatellen“ spielte das Trio Roseau im September 2021 im Schloss Friedrichsfelde in Berlin.
Im Jahr 2022 entstand das Werk “Reminiszenzen“ für Englischhorn und Streichtrio. Diese Komposition ist in gewisser Weise ebenfalls der Corona Pandemie zu “verdanken“. Der Deutsche Musikrat hat im Rahmen seines Förderprogramms “Neustart Kultur“ Stipendien an Musiker und Musikerinnen vergeben, die von den Einschränkungen durch die Pandemie betroffen waren. Das Stück Reminiszenzen wurde vom Deutschen Musikrat gefördert um das Repertoire für das Instrument Englischhorn zu erweitern. Meine Frau Rachel ist Solo-Englischhornistin im “Chamber Orchestra of Europe“ und wünschte sich ein Werk “that shows the beauty of my instrument“. Auch dieser Komposition liegt die Tonfolge (r) A-C-H-E (l) zu Grunde. Der wunderschöne Klang des Englischhorns kommt in Begleitung von Streichinstrumenten sicherlich besser zur Geltung als in einem Bläserensemble. Das Stück Reminiszenzen ist in dieser Reihe also eine Ausnahme, eben keine reine Bläser-Komposition.
Die Entstehung der Komposition “Quint-Essenzen“ für Bläserquintett fällt ebenfalls in das Jahr 2022. Diese Stück habe ich für meine Freunde und Kammermusikpartner aus dem Ma’alot Quintett geschrieben. Der Titel “Quint-Essenzen“ ist auf mehreren Ebenen zu verstehen. Zum Einen ist dieses Werk für die Besetzung Bläserquintett (also für fünf Spieler) komponiert und zum Anderen umfasst es fünf Sätze. Es sind fünf kurze Sätze die auf das Wesentliche reduziert sind, also Essenzen. Und sie haben als Gemeinsamkeit das Spiel mit dem Intervall der Quinte. Im ersten Satz wird durch Quint-Schichtungen vom großen E im Fagott bis zum eis’’’‘ in der Flöte der Rahmen abgesteckt um direkt danach wieder dekonstruiert zu werden. Der zweite Satz beginnt mit ruhigen kurzen Phrasen, in denen sich die Quinten farbig verändern und jeweils in entfernte Quinten verwandeln, um dann am Ende des Satzes im Schluss-Intervall zur Anfangs-Quinte zurückzufinden. Der dritte Satz ist nach den “dissonanten“ Quinten zu Beginn ein kurzer Ausflug in die Tonalität eines anderen Genres. Der vierte Satz entfernt sich weiter und befreit sich von den Vorgaben. Er beschäftigt sich mit dem Intervall der verminderten Quinte, bzw. übermäßigen Quarte, dem Tritonus also. Den Schlusssatz habe ich meinem Freund, dem ehemaligen Hornisten des Ma’alot Quintetts Volker Grewel gewidmet. Er ist tragischerweise und viel zu früh im Alter von nur 48 Jahren verstorben. Diese 48 Takte habe ich für ihn und in Gedanken an ihn geschrieben. Der Satz beginnt mit einem Klage-Gesang im Horn und mündet in einen gemeinsamen Aufschrei über das Unbegreifbare, um dann in einem angedeuteten Trauermarsch zu enden. Der Satz beginnt mit dem Ton G im Horn (für Volker G.) und wird vom Horn mit dem Ton G, der Quinte des Trauermarsches, beendet. Die “Quint-Essenzen“ wurden im Oktober 2023 vom Ma’alot Quintett beim Kammermusikfest in Erftstadt uraufgeführt.
“Dyade“ bedeutet Zweisamkeit und ist der Titel der vier Duette für Oboe und Klarinette aus dem Jahr 2023. Das erste Stück “Die Artistin“ beschreibt den Auftritt einer Trapezkünstlerin, die sich bis hoch unter die Zirkuskuppel hinaufschwingt. Der zweite Satz schwelgt voller Wehmut in nostalgischen “Erinnerungen“ an einen Schubert Ländler aus längst vergessener Zeit. Das dritte Duett, “Das Geheimnis“, ….. bleibt ein Geheimnis. Der “Abschied“ im vierten Satz ist zwar melancholisch und traurig, aber nicht ohne Euphorie über die schönen gemeinsamen Erlebnisse.
Die letzte Komposition in dieser Reihe ist das Stück “Ritus“. Es ist das dritte Werk für Trio d’anches und ebenfalls im Jahr 2023 entstanden. Der Beginn, die “Introduzione“, ist eine Meditation vor dem Ritual. Hier werden die beiden “Solisten“ Oboe und Fagott für den rituellen Tanz ausgewählt. Die musikalische Keimzelle ist der Halbtonschritt d – es, der in allen Varianten das Gerüst für die ganze Komposition ist. Es folgt der gemeinsame Tanz, das “Rondo rituale“. Der “Epilogo“ nimmt die meditative Atmosphäre des Anfangs wieder auf und endlich sind die beiden vom Tanz erschöpften Solisten, Oboe und Fagott, in einem flüchtigen “Unisono-Gesang“ vereint. Ulf-Guido Schäfer, 2024